Das Herz der Lehrlingsgruppe.
Wer oder was dieses Herz ist, diese Frage hat mich an die Substanz
der Internatsgruppe geführt.
Ich habe dem Geheimnis nachgespürt, warum so viele verschiedene Klassen,
so viele ausgeprägte Persönlichkeiten mit so viel Spass und oft mit
solcher Vertrautheit zwei oder drei Jahre in immer wieder wechselnder Zusammensetzung
miteinander leben, sich aufeinander freuen. Es sind die Rituale, die persönlichen Marotten,
die übernommenen Funktionen, die Toleranz, die sich oft in sehr derber Art äußert.......dies
alles prägt den Gruppenalltag, macht ihn vertraut und berechenbar .Und jedes
Jahr um diese Zeit endet eine Aera, löst sich eine Gruppeninstitution auf,
hinterläßt der Abschied von einem Lehrlingsjahrgang
eine Lücke und die bange Frage: was kommt nächstes Jahr ?
Demnächst steht wieder solch ein Einschnitt an, daher ein Nachruf
an einige, die in den letzten Jahren den Alltag geprägt haben.
Die Uno-Verschwörung
Die Organisation eines Spiele-Abends ist immer ein Risiko. Wird
er ein Renner oder hockt man allein da und schiebt Karten herum
?
Nicht so,wenn die Uno-Stamm-Crew im Haus
ist ! Wenn die einschlägigen Klassen zusammentreffen, gibt
es schon am Montag kein Halten. Sobald
sich Benni und Mike, Icke, Sergej, Pascal,
Kalle, Alex und
Anja zusammenrotten, hält
es auch die Maurer, Bäcker und Kachelofenbauer nicht lange.
Wer kann auch dem Geschrei und dem wiehernden
Gelächter, das
aus dem Ort des Geschehens dringt, widerstehen
? Wenn dann der Wahn allerdings so eskaliert,
dass 2 Spiele und 2 Protokollanten benötigt
werden, dann verliert jede Spielregel
an Bedeutung, dann regiert die Anarchie
und die reine Spielfreude und es wird
wieder einmal ein unvergeßlicher
Abend.
Die Film- Akademie
„ Wann schauen wir wieder einen Film ?“
Eine Frage,die seit 2 Jahren ganz klar
der Kalender beantworten kann: natürlich, wenn Sergej kommt.
Montags packt er seine Schätze aus.......dann muß noch über
die genehmigte Blut-Menge diskutiert
werden. Bis auf den letzten vergossenen Tropfen weiß Sergej
Bescheid, ebenso wie über
Regisseur, Entstehungsgeschichte, Herstellungskosten,
Lebensgeschichte der Darsteller, Facetten der Handlung .......
So geht der Montag mit der Bestandsaufnahme vorüber,
der Dienstag ist der Tag der Entscheidung, das heißt:
Mittwoch ......Film ab !!
Die Pudding-Mafia
Die Pudding-Fahndungsabteilung hat viele Unterabteilungen. Dazu
muß man wissen: Pudding, vor allem Schokoladenpudding ist
ein Turbo-Verschleißteil. Er überlebt nie die ersten
10 Minuten nach der Essensausgabe.
Und meist sind es genau die, welche ihm
den endgültigen Garaus machten, die dann zwischen 22.00 und
23.00 Uhr den Speiseraum und die Kühlschränke durchforsten,
um dann mit entsetzter Stimme zu fragen
„ Ist etwa kein Pudding
mehr da ????? “
Das Ritual verlangt nun, dass sie sich mit abgrundtiefer Verzweiflung
im Blick vor einen gewaltigen Teller
der Essensalternative an den Tisch hocken und in Trauer und
Weltschmerz versunken jede Mahlzeit verschlingen.
Die Oleander-Experten.
Zweimal im Jahr heißt es „ Es ist soweit “ damit
ist gemeint, dass die gewaltigen Oleanderbüsche den Weg aus
der Eingangshalle auf Terrasse und Balkon
oder umgekehrt antreten sollen. Aber dieser eine kleine Satz genügte,
und Manuel und Tino, Daniel und Stephan machten sich wortlos an
die Arbeit. Die Oleander bekamen Füße und stets den richtigen
Platz. Zwei Jahre war dieser Pflanzen-Schlepp- Trupp aktiv und ich
werde ihn schwer vermissen.
Die Süchtigen
„ Können wir unsere play-station anschließen
?“
„ Geht an den hinteren Fernseher “
„ Da sitzt aber einer, der will unbedingt was schauen “
Oh Gott, Maximilian ist ja da,unser Stargate-Süchtiger !
„ Der soll nach vorn kommen, es läuft nichts besonderes ! “
Vorwurfsvolle Blicke von allen Seiten........NEIN
!!! es wird doch nicht jemand die Frage
aller Fragen stellen ?
Das Elend läßt sich nicht aufhalten: spätestens
nach 10 Minuten stellt jemand die Schicksalsfrage:
„ Du hast doch bestimmt schon 3000
Folgen davon geschaut, hängt
dir das nicht irgendwann zum Hals raus
?“
Oh je, jetzt werden wir Banausen bis
auf weiteres belehrt,dass jede Folge
TOTAL anders ist.Wir lauschen unbekannten
Ausdrücken und bedeutungsschweren
Bezeichnungen,von denen wir keine Ahnung
haben und auch nie haben werden, schlucken tapfer unsere Zweifel
herunter, aber ehe wir über
das fernere Schicksal des Universums
aufgeklärt sind, ist zum
Glück
die Folge vorüber ...........die 3001 e.
Ganz anders Ingo: jeden Abend um 19.45 Uhr irrt er mit wehem Blick
von Fernseher zu Fernseher, schaut sehnsüchtig, aber sagt kein
Wort. Er weiß wahrscheinlich genau, dass wir uns irgendwann
erbarmen, schon um seinen glücklich verklärten Gesichtsausdruck
zu sehen, wenn sein geliebtes „ Dahoam ist Dahoam “ läuft.
Zur Entschädigung für 30 Minuten Fremdsprachen-Fernsehen
muß er sich unsere Ignoranten- Kommentare anhören. Diese erträgt
er mit dem milden Lächeln eines frühchristlichen Märtyrers,
der soeben das Himmelreich gesehen hat.
Man könnte viele derartige „ Kleinigkeiten “ erzählen,
die in ihrer Summe die Gemeinschaft ausmachen.
Daher läßt sich die Ausgangsfrage ganz klar beantworten
:
Das Herz der Lehrlingsgruppe sind die Lehrlinge selbst
!
Und wenn das Herz auch jedes Jahr im Sommer ein wenig bricht ......wer
weiß, vielleicht wird die nächsten Jahre nicht „ Uno “ sondern „ Mensch-ärgere –Dich-nicht “ gespielt
?
Danke,Mike